Mozarts “Così fan tutte” in der Staatsoper Hannover
Der Abend fing ziemlich gut an. Mal abgesehen von einer überhastet gespielten und dementsprechend ungenauen Ouvertüre. Denn endlich nahm mal wieder ein Regisseur, und von Martin G. Berger hätte man auch nichts anderes erwartet, diese sicherlich schwierigste Mozart-Oper wirklich ernst. Kein vorwiegend heiter und lustiges Spiel um Liebe und Treue war hier zu sehen, sondern eine Art Paar-Therapie mit doch recht bösen Folgen.
Martin G. Berger geht davon aus, dass sich alle drei Paare, also auch Despina und Don Alfonso schon seit Kindesbeinen kennen, und jetzt begleitet und verfolgt von den Foto-Alben aus ihrer Kindheit zu einem Therapie-Wochenende zusammen kommen. Man trinkt und singt gemeinsam, Regisseur und Dirigent Michele Spotti haben da musikalisch einiges umarrangiert, und man gelangt verblüffenderweise schon bald, nur mit Badetüchern bekleidet, ohne viel Geschwurbel und Verkleidungsspuk in den “neuen” Paar-Konstellationen: Dorabella + Guglielmo bzw. Ferrando + Fiordiligi. Das ist fraglos ein böses Erwachen, wenn sich die vier zwischen den auf und ab fahrenden Leuchtstäben gegenüberstehen. Das Kind von Dorabella und Ferrando, ebenfalls hinzuerfunden, platzt mit kriegerischer Atttitüde auch noch hinein, nach dem Motto, Kinder können für Ehestress sorgen. Und für den Moment ist es eine peinliche Steigerung. Kein Wunder also, dass die Damen spontan beschließen, abzureisen, und die beiden Herren alles daran setzen, diese kleinen Seitensprünge ungeschehen zu machen. Ein interessanter Ansatz, bei dem die Männer nicht wie sonst handlungsgetreu die Frauen zu verführen suchen, sondern eine Art Rück-Eroberung versucht wird.
Doch dann verließ Martin G. Berger anscheinend doch der Mut, dieses Experiment auch wirklich konsequent weiter zu verfolgen. Denn im Handumdrehen kamen wie im Original Gift, Ohnmacht und die vermeintliche Wiederbelebung mit ins Spiel. Und Despina kehrte zudem die Krankenschwester hervor, verabreichte Rauschmittel und Drogen, alle hatten sich wieder lieb und versanken im erotischen Delirium. Eigentlich war das Stück zu diesem Zeitpunkt irgendwie außerzählt. So dass sich die Inszenierung im zweiten Akt dann doch zu sehr in der Selbstreflektion der Figuren ergeht, ständig Kindheitserinnerungen mittels riesiger Teddybären geschürt werden, viele Fragen im Raum stehen, aber kaum Antworten gegeben werden und sich alle sechs Figuren am Ende wohl fragen dürften: “Welches Leben soll es denn jetzt wohl sein?” – Kein schönes Fazit, aber sehr passend zu unserer Zeit!!
Musikalisch dürfte dieser Opernabend durchaus in Erinnerung bleiben, die Rollen waren adäquat und gut besetzt, nur in den zahlreichen Ensembles regiert oft zu sehr die Premierennervosität. Und von Michele Spotti und dem Staatsorchester hätte man sich zuweilen mehr klanglichen Tiefgang und weniger musikalische Oberflächlichkeit gewünscht. Doch was soll´s, Hauptsache wir können wieder richtiges, raumfüllendes Musiktheater genießen und müssen nicht länger nur vor dem Bildschirm sitzen.